1. DER/DIE SOZIALBAUERNHOF-PÄDAGOG:IN - EINFÜHRUNG
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in ist das Bindeglied zwischen sozialen Gesundheitsdiensten, Manager:in und Tutor:in. Während der/die Sozialbauernhof-Manager:in mehr oder weniger für die Rahmenbedingungen bei der Umsetzung von Begleitung und Therapie auf Bauernhöfen verantwortlich ist und der/die Sozialbauernhof-Tutor:in in der täglichen Umsetzung mit den jeweiligen Personen ist, behält der/die Pädagog:in den Überblick über beide Bereiche. Der/die Pädagog:in kümmert sich um die Umsetzung der von den sozialen Gesundheitsdiensten vorgegebenen Therapiepläne; die Zielgruppe wird bei Bedarf von dem/der Pädagog:in in den Sozialen Bauernhof und die Aktivitäten eingeführt. Er/sie verfolgt die Entwicklung der behinderten Menschen und greift lenkend ein; er/sie hält die Kommunikation zwischen dem sozialen Umfeld der Personen (z. B. Familie), den/der benötigten Therapeut:in (falls erforderlich), den sozialen Gesundheitsdiensten, dem/der Manager:in und dem/der Tutor:in aufrecht.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in ist ein EQR (Europäischer Qualifikationsrahmen) 5 oder 6. Und der pädagogische Hintergrund basiert in der Regel auf sozialen, psychosozialen und psychologischen Wissenschaften.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in kann angestellt oder selbständig sein.
Die Landschaft der Sozialen Bauernhöfe ist groß. Die Anwendungsbereiche von Bauernhöfen in diesem Zusammenhang reichen von Therapiefarmen über Rehabilitationsfarmen bis hin zu (geschützten) Werkstätten und Höfen zur Arbeitsintegration.
Therapiehöfe können Therapien wie Ergotherapie (zur Förderung von Aufmerksamkeit, Konzentration, Ausdauer, Koordination usw.) oder Verhaltenstherapie anbieten. Ziel ist es, akute Zustände zu verbessern oder eine präventive Wirkung zu erzielen.
Rehabilitationsbetriebe zielen darauf ab, erfolgreiche Therapien zu integrieren und langfristig zu festigen. Der Sozialbauernhof kann als Instrument für geschützte Werkstätten und Tagesbetreuung genutzt werden.
Bauernhöfe für die Arbeitsintegration bieten Schulungen mit dem Ziel der (Wieder-) Eingliederung von Menschen in die Arbeitswelt als Teil eines selbstbestimmten und unabhängigen Lebens.
Die Zielgruppe von Sozialbauernhof-Pädagog:innen ist breit gefächert: Sie reicht von Menschen, die einfache Unterstützung benötigen, bis hin zu Menschen, die zunächst intensivere Begleitung und Therapien benötigen.
Seine/ihre Aufgabe besteht in erster Linie darin, Menschen dieser Zielgruppe bei ihrer Eingliederung auf dem Bauernhof zu unterstützen. Dies reicht von einer einfachen bis hin zu einer intensiven Begleitung über mehrere Tage bis hin zu einer Übersicht, Anpassung der Möglichkeiten auf dem Bauernhof und der Bereitstellung von Unterstützung für den/die Tutor:in, den/die Manager:in und das familiäre oder soziale Umfeld des Teilnehmenden.
Die Hauptaufgabe von Sozialbauernhof-Pädagog:innen besteht also darin, den Eingliederungsprozess von Menschen mit Unterstützungsbedarf auf dem Bauernhof und letztlich in der Gesellschaft zu unterstützen:
- Erstbegleitung der Zielgruppe auf dem Bauernhof
- Enge Kommunikation und Zusammenarbeit mit den sozialen Gesundheitsdiensten, um geeignete Therapien und/oder Beratungspläne zu entwickeln.
- Anpassung der Bedingungen auf dem Bauernhof mit dem/der Manager:in und dem/der Tutor:in, um Begleitungsziele oder Therapien durchführen zu können
- Enge Kommunikation mit der Familie und ggf. dem sozialen Umfeld, um Förder- und Therapieziele auch außerhalb des Bauernhofes einzubeziehen
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in sollte daher über folgende Kompetenzen verfügen:
- Kommunikationsfähigkeit
- Teamkompetenzen
- Fähigkeiten zur Zusammenarbeit
- Lernkompetenzen
- Organisatorische Fähigkeiten
- Kompetenzen im Umgang mit Flexibilität
Haltung und Einstellung
Eine mögliche Definition:
Die Einstellung bezieht sich im Allgemeinen auf die innere Haltung einer Person und zeigt sich in ihren Handlungen. Durch sie werden moralisch gerechtfertigte oder vertretbare Werte und Normen verwirklicht.
Die Haltung ist also eine Grundeinstellung, die das Denken und Handeln prägt (Schwarz, 2018).
Aufgrund der Arbeit mit verschiedenen Personengruppen und unterschiedlichen Gegebenheiten benötigt der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität. Grundsätzlich sollten sie allen Personengruppen auf Augenhöhe begegnen. Es ist wichtig, dass sie Unterstützung im Sinne der Selbstermächtigung anbieten. Inklusion bedeutet “begleiten” und nicht “führen”. Er/sie hilft den Menschen, Wege für sich selbst zu finden.
Dies bedeutet in weiterer Folge: Akzeptanz der Situation des Teilnehmenden und Respekt vor seinem aktuellen Lösungsmodell.
2. REHABILITATION UND SOZIALE LANDWIRTSCHAFT
Wie bereits in der Einleitung beschrieben:
Therapiehöfe können Therapien wie Ergotherapie (zur Förderung von Aufmerksamkeit, Konzentration, Ausdauer, Koordination usw.) oder Verhaltenstherapie anbieten. Ziel ist es, akute Zustände zu verbessern oder eine präventive Wirkung zu erzielen.
Rehabilitationsbetriebe zielen darauf ab, erfolgreiche Therapien zu integrieren und langfristig zu festigen
Definition von Inklusion:
“Als soziologischer Begriff beschreibt das Konzept der Inklusion eine Gesellschaft, in der jeder Mensch akzeptiert ist und gleichberechtigt und selbstbestimmt an ihr teilhaben kann – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Bildung, etwaigen Behinderungen oder anderen individuellen Merkmalen. In einer inklusiven Gesellschaft gibt es keine definierte Normalität, die jedes Mitglied dieser Gesellschaft anzustreben oder zu erfüllen hat. Normal ist nur die Tatsache, dass es Unterschiede gibt. Diese Unterschiede werden als Bereicherung gesehen und haben keinen Einfluss auf das selbstverständliche Recht des Einzelnen auf Teilhabe. Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, in allen Lebensbereichen Strukturen zu schaffen, die es den Mitgliedern dieser Gesellschaft ermöglichen, sich ohne Barrieren in ihr zu bewegen.”
http://www.inklusion-schule.info/inklusion/definition-inklusion.html
Ziel der Inklusion mit Hilfe des Sozialen Bauernhofs ist es daher, die Menschen der Zielgruppe zu begleiten und mit ihnen Möglichkeiten zu entwickeln, mit ihren Fähigkeiten an der Gesellschaft teilzuhaben und in ihr zu leben. Dies kann auch bedeuten, dass die Zielperson vorübergehend auf dem Bauernhof arbeitet und nach einer angemessenen Begleitung Lösungen für ein eigenständiges Leben gefunden werden können.
Inklusion umfasst also ein breites Spektrum und reicht, wie in der fraktalen Geometrie, von übergreifenden gesellschaftlichen Strukturen und Einstellungen bis hin zur direkten Arbeit mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen.
Direkt auf dem Bauernhof haben die folgenden Überlegungen einen Einfluss auf die Eingliederung:
- Umfang: der Umfang und die Anzahl der Aufgaben.
- Zeit: die verfügbare Zeit.
- Umfang der Unterstützung: personelle und technische Unterstützung.
- Input: Art der Anweisungen.
- Output: Die Art und Weise, in der die Zielperson kommunizieren kann.
- Schwierigkeit: Schwierigkeitsgrad der Aufgaben.
- Teilnahme: Beteiligung an Aktivitäten (auch außerhalb der landwirtschaftlichen Aktivitäten).
- Räumlichkeiten: Kann sich die Person wohlfühlen, entspricht der Raum ihren Bedürfnissen?
Auf der Metaebene können die folgenden Einflussfaktoren wirken:
- Ziele und Strategien: transparente Kommunikation mit allen Beteiligten über Ziele und Strategien, die die Eingliederung ermöglichen.
- Zusammenarbeit mit Familie und sozialem Umfeld: Alle sollten an einem Strang ziehen, transparente Kommunikation kann dabei helfen.
- Ermutigung zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln: Entscheidungsfreiheit bedeutet auch Verantwortung.
- Kommunikation: zwischen allen Beteiligten; wertschätzend, höflich, fair, unterstützend.
- Professionalität: durch Dokumentation, Bewertung, Feedback und Supervisionsmöglichkeiten
Soziale Gesundheitsdienste und Soziale Genossenschaften sind in Europa auf unterschiedliche Weise organisiert und strukturiert. Im Allgemeinen können die Aufgaben wie folgt beschrieben werden:
- Definition der Ziele (z. B. therapeutische, berufliche, soziale oder persönliche oder übergreifende Kompetenzen).
- Beurteilung der geeigneten Maßnahmen zur Zielerreichung (verschiedene Therapieangebote wie tiergestützte Intervention, Ergotherapie, Zuweisung zu verschiedenen sozialen Diensten).
- Genehmigung, Zuteilung und Abwicklung von Finanzhilfen für die entsprechenden Maßnahmen.
- Bewertung der Erfolge und ggf. Anpassung der ergriffenen Maßnahmen und Zuweisungen.
- Überwachung der Situation vor Ort.
Der soziale Gesundheitsdienst arbeitet bei Fragen zu den Rahmenbedingungen eng mit dem Betriebsleiter zusammen. Der soziale Gesundheitsdienst beauftragt auch Sozialbauernhof-Pädagog:innen mit der Umsetzung der Maßnahmen im Sinne des integrativen Gedankens.
Das Ziel von Sozialbauernhof-Pädagog:innen vor Ort ist es, sicherzustellen, dass die Einbeziehung der Zielperson erfolgreich ist. Hierfür können verschiedene Faktoren verantwortlich sein (angefangen bei der Adaptierung der Bedingungen vor Ort):
Anpassung an die Gegebenheiten vor Ort:
- eine angenehme Atmosphäre auf dem Bauernhof schafft Vertrauen und gibt Sicherheit
- barrierefreier Zugang: Menschen mit körperlichen Behinderungen sollten Zugang zu allen Bereichen haben
- Visuelle Hilfen zur Orientierung: einfache Piktogramme, ansprechende wiederkehrende Farbwahl geben vielen Personengruppen Orientierung und damit Sicherheit und Wohlbefinden
- Rückzugsmöglichkeiten: Gerade autistische Gruppen und Menschen mit psychosozialen Problemen brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um Eindrücke verarbeiten zu können.
Sozialbauernhof-Pädagog:innen prüfen die Bedingungen vor Ort und schlagen mögliche Anpassungen vor.
Begleitung und Unterstützung bei den Arbeitsaufträgen:
- Je nach Zielperson sind unterschiedlich lange Begleitungen und Hilfestellungen notwendig. Ziel ist es, die Teilnehmenden nicht zu überfordern und den/die Tutor:in von dieser Aufgabe zu entlasten, damit er/sie sich auf die tägliche Arbeit mit den anderen Personen der Zielgruppe konzentrieren kann. Die Begleitung kann einige Tage, aber auch nur einige Stunden dauern. Die Dauer wird in Zusammenarbeit mit den sozialen Gesundheitsdiensten festgelegt.
- Die Unterstützung kann auch auf individueller Ebene ermittelt werden. Sie reichen von visuellen und auditiven Hilfen, Tagebüchern oder anderen persönlichen Aufzeichnungen bis hin zu technischen Hilfsmitteln. Der Gebrauch von Hilfsmitteln kann auch erlernt werden.
Sicherheit am Arbeitsplatz: ein wichtiges Thema, da die Menschen oft unter Kurzzeitgedächtnis oder Konzentrationsschwäche leiden. Es muss sichergestellt werden, dass Gefahrenquellen erkannt und benannt werden. Mögliche Reaktionen können Beseitigung, aber auch Erklärung und Übung im Umgang mit den Gefahrenquellen (z. B. elektrische Geräte) sein.
Gesundheit bei der Arbeit: Landwirtschaftliche Tätigkeiten erfordern oft ein hohes Maß an körperlicher Anstrengung. Die richtigen Bewegungsabläufe, das richtige Maß an Aktivität und Ruhepausen sowie die richtige Ernährung spielen dabei eine große Rolle. Individuelle Betreuung und angemessene Unterstützung sind hier entscheidend.
Begleitung und Unterstützung bei sozialen Kontakten: Menschen, die z.B. soziale Ungleichheiten erlebt haben oder an psychischen Erkrankungen leiden, können Schwierigkeiten haben, offen auf ihre Umwelt zuzugehen. Es wird dann die Aufgabe von Sozialbauernhof-Pädagog:innen sein, dies zu erkennen und unterstützend zu handeln.
Auf einem Bauernhof gibt es verschiedene Möglichkeiten für Therapien und die Rehabilitation von Personen. Dies hängt u.a. von der Ausrichtung und den Möglichkeiten vor Ort auf dem Bauernhof ab. Besteht zum Beispiel eine Ausrichtung auf tiergestützte Intervention, kann diese auf dem Hof eingesetzt werden, besteht eine Ausrichtung auf Anbau, Arbeitstherapien, Training der Fein- oder Grobmotorik, können psychotherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in hat in diesem Zusammenhang die folgenden Aufgaben:
- Erarbeitung eines geeigneten Rehabilitationsplans mit den sozialen Gesundheitsdiensten und Genossenschaften: Die Vorgaben für einen Rehabilitationsplan kommen vom sozialen Gesundheitsdienst. Der/die Pädagog:in mit seinem/ihrem Fachwissen und Kenntnis der Bedingungen auf dem Hof dient als Vermittler:in zwischen den Vorgaben und der Umsetzung des Rehabilitationsweges.
- Er/sie begleitet Teilnehmer:innen auf dem Betrieb und unterstützt alle Beteiligten bei der Durchführung des Rehabilitationsweges: wie bereits erwähnt, ist er/sie für die Anpassung der Bedingungen während der Durchführung verantwortlich, soweit dies finanziell und vom Aufwand her möglich ist (z. B. Entwicklung von notwendigen Hilfsmitteln und Schulungen). Er/sie ist auch für die Eingewöhnung der Teilnehmer:innen auf dem Betrieb verantwortlich. Dabei steht er/sie im aktiven Austausch mit dem/der Manager:in und dem/der Tutor:in am Hof.
- Wenn Therapien notwendig sind, aber nicht auf dem Bauernhof durchgeführt werden können oder einen/eine Spezialist:in erfordern, organisiert der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in diese Therapien in Absprache mit dem/der Tutor:in (und dem/der Manager:in).
- Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in bewertet die Entwicklung des/der Teilnehmenden nach einer vom Sozial- und Gesundheitsdienst festgelegten Zeitspanne und bespricht mit dem Sozial- und Gesundheitsdienst mögliche Änderungen oder Anpassungen des Rehabilitationsweges.
3. ETHISCHE EINSTELLUNG UND SOZIALE KOMPETENZEN
Persönliche Moral und Einstellung: Die Begleitung und Betreuung von Teilnehmer:innen erfordert ein hohes Maß an persönlicher Moral und Integrität. Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in muss daran glauben, dass der Erfolg in den Ressourcen der Teilnehmer:innen, in der Überwindung von Hindernissen aller Art und in einem lösungsorientierten Ansatz begründet ist.
Auf einem sozialen Bauernhof spielt auch die Einstellung der Sozialbauernhof-Pädagog:innen gegenüber Tieren eine wichtige Rolle, wenn der Betrieb mit Tieren arbeitet. Die Arbeit mit Tieren oder eine gute Mensch-Tier-Beziehung erfordert eine Ethik des natürlichen Mitgefühls gegenüber anderen Lebewesen, eine Achtung und einen Respekt vor dem eigenen Leben und dem Leben anderer Individuen.
Individualität: Jeder Mensch wird mit seinen individuellen Vorlieben und Interessen sowie seiner Lebensgeschichte und aktuellen Situation als einzigartig betrachtet. Die unterstützenden Maßnahmen sind daher respektvoll und altersgerecht. Begegnung und Kommunikation finden auf gleicher Augenhöhe statt.
Vertrauliche Behandlung von Daten: Insbesondere wenn es um Gesundheitsdaten und die Einbeziehung von sozialen Gesundheitsdiensten geht, aber auch allgemein, müssen personenbezogene Informationen vertraulich behandelt werden.
Respekt und Wertschätzung: Respekt und Wertschätzung sind eine Selbstverständlichkeit. Durch einen personenzentrierten Ansatz in der Begleitung können Stereotypen überwunden werden und die Individualität rückt in den Mittelpunkt. Jeder Mensch wird vorurteilsfrei und individuell betrachtet. “Kundenorientierung” ist mehr als nur ein Schlagwort. Das Ziel ist es, Kundenorientierung zu leben (Europäische Union für unterstützte Beschäftigung, 2011).
Selbstbestimmung und Empowerment: Die Teilnehmer:innen werden darin unterstützt, ihre eigenen Interessen und Präferenzen zu nutzen, ihre Entscheidungen mitzuteilen und ihren Lebens- und Arbeitsplan entsprechend ihrer persönlichen Situation zu bestimmen. Selbstbestimmung soll Teilnehmer:innen in die Lage versetzen, für sich und ihre Anliegen einzutreten (“Self-Advocacy”). Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in nimmt hier eine unterstützende Haltung ein.
Flexibilität und Zugänglichkeit: Die Tätigkeit von Sozialbauernhof-Pädagog:innen erfordert ein hohes Maß an Flexibilität, um auf die Bedürfnisse der Teilnehmer:innen reagieren zu können. Der/die Pädagog:in berücksichtigt stets die Barrierefreiheit. Die Informations- und Unterstützungsdienste werden an die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse der Teilnehmer:innen angepasst (Europäische Union für unterstützte Beschäftigung, 2011).
Damit der/die Pädagog:in die Teilnehmer:innen gut begleiten und seine/ihre Rolle als Vermittler:in erfüllen kann, sind folgende soziale Kompetenzen erforderlich:
Kommunikationsfähigkeit und Aufbau nachhaltiger Beziehungen: Wie in Kapitel 1.1 erwähnt, benötigt der/die Pädagog:in Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten. Eine ehrliche Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist eine Grundvoraussetzung. Der/die Pädagog:in arbeitet mit verschiedenen Interessensvertreter:innen zusammen und baut nachhaltige Verbindungen auf, z. B. mit Teilnehmer:innen, Kolleg:innen im Unternehmen (z. B. dem/der Tutor:in) oder mit anderen Dienstleister:innen. Der erfolgreiche Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu verschiedenen Interessengruppen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Anpassungsfähigkeit, Taktgefühl, Einfühlungsvermögen und Glaubwürdigkeit: Bei der Arbeit mit bedürftigen Menschen geht es oft um sehr sensible Themen. Taktgefühl und Einfühlungsvermögen sind daher wichtig. Sensible Themen wie Defizite bei Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, persönliche Hygiene und der Umgang mit vertraulichen Informationen werden respektvoll und verbindlich behandelt (Europäische Union für unterstützte Beschäftigung, 2011).
Enthusiasmus: Eine grundlegende Begeisterung für die eigene Arbeit ist wichtig, wenn es darum geht, Partnerschaften zur Überwindung von Hindernissen aufzubauen.
Konfliktfähigkeit (+ Erkennung/Lösung) und gute Beobachtungsgabe: Beides ist notwendig, um entstehende Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen und an Lösungen zu arbeiten.
Verhandlungsgeschick: Gute Verhandlungsfähigkeiten sind nicht nur im Umgang mit verschiedenen Entscheidungsebenen (im Betrieb, in Unternehmen, sozialen Gesundheitsdiensten usw.) erforderlich, sondern auch, wenn es darum geht, Arbeitserprobungen zu vereinbaren oder Konflikte zu lösen (Europäische Union für unterstützte Beschäftigung, 2011).
Warum brauchen Menschen den Kontakt zu Tieren und wie können Tiere helfen?
Die Mensch-Tier-Beziehung ist ein dynamischer Prozess, der durch gegenseitige Erfahrungen und Interaktionen geprägt ist und somit die Ausübung zukünftiger Verhaltensweisen beeinflusst (Waiblinger et al. 2006, zit. n. Ivemeyer 2010). So können Tiere beispielsweise die Entwicklung von Empathie beim Menschen auslösen und/oder dazu beitragen (Olbrich, o. J.). Auch das Streicheln eines Tieres kann den Blutdruck und den Stresspegel deutlich senken (Esser, 2019).
Tiere mobilisieren gemeinsames Handeln, stärken das Selbstvertrauen, motivieren zu Fairness, bieten Bedingungslosigkeit, steigern den Lernerfolg, entwickeln emotionale Intelligenz, fördern soziale Kompetenz, entspannen bei Stress, wecken Empathie, helfen bei der sozialen Integration, tragen zur Gewaltprävention bei (Schreiber, 2021). Die tiergestützte Intervention bietet viele Anwendungsmöglichkeiten: Depressionen, Suchterkrankungen, motorische oder geistige Defizite und Verhaltensprobleme. In der Regel werden mit dem Menschen vertraute Haustiere eingesetzt, die artgerecht und tierschutzkonform gehalten werden (Simhofer, 2014).
Grundhaltung
- Verantwortung lernen: Die Arbeit mit einem Tier bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. (Man sorgt z.B. für Futter, Wasser, Aufmerksamkeit etc.) Aus ethischer Sicht ist ein sensibler und einfühlsamer Umgang mit dem Tier unerlässlich. Auch Tiere zeigen Empathie und machen verschiedene “Verhaltensangebote” (Wohlfarth/Olbrich, 2014). Ein Tier zeigt Reaktionen und Zufriedenheit mit dem Umgang direkter und unmittelbarer als ein Mensch.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in bereitet Teilnehmer:innen auf die Arbeit mit Tieren vor: Er/sie stellt Verhaltensregeln für den Umgang mit dem Tier auf. Diese werden vor Beginn des Programms mit den Teilnehmer:innen besprochen und es wird auf ihre Einhaltung geachtet. Ein positiver Effekt entsteht, wenn eine dauerhafte, positive und kooperative Beziehung zwischen Tier und Teilnehmer:in erlebt werden kann (Wohlfarth/Olbrich, 2014).
- Grenzen respektieren: Die Arbeit mit Tieren basiert auf Freiwilligkeit, sowohl (von Seiten) des Tieres als auch des Menschen. Jeder Mensch kann eine Beziehung zu Tieren aufbauen, aber nicht jeder will das. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, wie z.B. negative Erfahrungen, gesundheitliche, soziale Gründe, Phobien, etc. Anfängliche Widerstände, Schwierigkeiten oder Hemmungen sollten thematisiert werden, eventuell ist ein verändertes Setting hilfreich. Dazu ist das Einverständnis des Teilnehmenden (oder ggf. von Angehörigen oder gesetzlichen Vertreter:innen) notwendig. Eine Ablehnung wird respektiert und es werden andere Möglichkeiten gewählt. Die Beziehung zwischen dem Tier und dem Teilnehmenden wird als Partnerschaft erlebt (Wohlfarth/Olbrich, 2014).
4. THEMEN, MIT DENEN DER/DIE PÄDAGOG:IN KONFRONTIERT WERDEN KÖNNTE
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in benötigt Hintergrundwissen und ein Bewusstsein für verschiedene Arten von Beeinträchtigungen. Dies liegt daran, dass der/die Pädagog:in sehr intensiv mit der Person arbeitet, vor allem zu Beginn, und er/sie braucht dieses Wissen, um das individuelle Programm und die Arbeitsumgebung auf die Eigenschaften und den kognitiven/affektiven Status des Teilnehmenden abzustimmen und die notwendige Sicherheit für den Teilnehmenden auf dem Bauernhof zu schaffen. Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in befasst sich mit verschiedenen Arten von Beeinträchtigungen, zum Beispiel:
Lernbehinderungen, kognitive Störungen, Autismus-Spektrum-Störungen, Störungen der Impulskontrolle, Verhaltensstörungen, depressive Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen.
Eine medizinische Klassifizierung ist in der “Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme” (ICD 10 Kap V) der WHO und im DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) enthalten.
Im Folgenden werden die 8 häufigsten Beeinträchtigungen beschrieben, die im Rahmen der sozialen Landwirtschaft behandelt werden:
- Lernschwierigkeiten
- Kognitive Störungen
- Autismus-Spektrum-Störungen
- Störungen der Impulskontrolle und des Verhaltens
- Depressive Störungen und Angstzustände
- Trauma- und stressbedingte Störungen
- Substanzbedingte und süchtig machende Störungen
- Persönlichkeitsstörungen
1. Lernschwierigkeiten lassen sich in drei Kategorien einteilen: Lernbehinderung, Lernschwäche und leichte geistige Behinderung, wobei die Übergänge fließend sind. Während bei Menschen mit Lernbehinderungen oder Lernschwächen auch von einem durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen IQ ausgegangen werden kann – d. h. eine geringere schulische Leistung ist nicht zu erwarten -, ist bei Menschen mit leichten geistigen Behinderungen mit einer geringeren schulischen Leistung zu rechnen (Gold, 2014).
Man spricht von “Menschen mit Lernschwierigkeiten”, da der Begriff “Menschen mit geistiger Behinderung” von den Betroffenen oft als diskriminierend empfunden wird (Schwalb & Theunissen, 2013).
“Lernbehinderungen sind Unterschiede im Gehirn einer Person, die sich darauf auswirken können, wie gut sie lesen, schreiben, sprechen, rechnen und andere ähnliche Aufgaben bewältigen können. Lernbehinderungen werden oft entdeckt, wenn ein Kind in der Schule ist und Lernschwierigkeiten hat, die sich mit der Zeit nicht verbessern. Eine Person kann mehr als eine Lernbehinderung haben. Lernbehinderungen können ein ganzes Leben lang bestehen bleiben, aber mit der richtigen pädagogischen Unterstützung können sie dennoch erfolgreich sein” (National Institute of Child Health and Human Development, n. d.)
2. Kognitive Störungen sind eine Kategorie von psychischen Störungen, die in erster Linie kognitive Fähigkeiten wie Lernen, Gedächtnis, Wahrnehmung und Problemlösung beeinträchtigen. “Kognitive Störungen” ist ein Sammelbegriff für Beeinträchtigungen der externen und internen Informationsverarbeitung im Gehirn. Die Störung wirkt sich auf die berufliche Leistung und auf alltägliche Aktivitäten aus. Menschen mit kognitiven Störungen haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und sich zu erinnern.
Kognitive Störungen können auch bei psychischen Erkrankungen, wie Schizophrenie oder Demenz, auftreten (Fachverlag Gesundheit und Medizin GmbH, 2021). Bei einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (“mild cognitive impairment”, MCI) sind Gedächtnis, Denken und Aufmerksamkeit beeinträchtigt. Die Leistung liegt deutlich unter der für das jeweilige Alter und Bildungsniveau üblichen Leistung ohne wesentliche Einschränkungen im Alltag. Diese Beeinträchtigung ist auch im hohen Alter häufig und kann die Vorstufe einer Demenz sein (Etgen et al., 2011)
3. Autismus-Spektrum-Störungen
Um mit einer Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert zu werden, muss die Person anhaltende Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion aufweisen und eingeschränkte, sich wiederholende Verhaltensmuster zeigen. Die Symptome müssen seit der frühen Kindheit vorhanden sein. Sie können in unterschiedlichen Schweregraden auftreten.
Menschen mit ASS haben Schwierigkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion:
- Schwierigkeiten mit sozial-emotionaler Reziprozität
- Schwierigkeiten bei der nonverbalen Kommunikation
- Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen
Menschen mit ASS zeigen einschränkende, sich wiederholende Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten:
- Stereotype oder sich wiederholende Sprache, Bewegungen oder Verwendung von Gegenständen.
- Übermäßiges Festhalten an Routinen, ritualisierte Muster des verbalen und nonverbalen Verhaltens oder übermäßiger Widerstand gegen Veränderungen
- Fixierung auf sehr begrenzte Interessen, die in ihrer Intensität oder ihrem Gegenstand ungewöhnlich sind (z. B. starke Anhänglichkeit an oder Beschäftigung mit ungewöhnlichen Gegenständen; Interessen, die zu eng umrissen sind oder sehr intensiv verfolgt werden).
- Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen oder ungewöhnliches Interesse an sensorischen Aspekten der Umwelt (z. B. scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Schmerz, Hitze oder Kälte; aversive Reaktion auf bestimmte Geräusche oder Texturen; übermäßiges Riechen oder Berühren von Gegenständen; Faszination für Licht oder sich drehende Gegenstände).
4. Personen mit “Störungen der Impulskontrolle und Verhaltensstörungen“
Dabei handelt es sich um psychische Störungen, die sich hauptsächlich im Verhalten äußern. Beispiele für Verhaltensstörungen sind krankhaftes Stehlen, Gewalt gegen andere Menschen oder Tiere, Vandalismus usw.). Umfasst Probleme der Selbstkontrolle von Emotionen (Ärger und Gereiztheit) und Verhalten (Streit und Trotz), die sich in einem Verhalten äußern, das die Rechte anderer und/oder soziale Normen oder Autorität verletzt. Bei einer psychischen Störung ist die Abweichung von einer Norm erheblich und erfolgt über einen langen Zeitraum (Altenthan et al., 2008).
Eine Verhaltensstörung beschreibt ein anhaltendes oder wiederkehrendes Verhalten, das die Rechte anderer oder altersgemäße soziale Normen verletzt, und wird klinisch diagnostiziert. Die Behandlung von komorbiden Störungen und Psychotherapie kann helfen.
Personen mit “Störungen der Impulskontrolle und Verhaltensstörungen“
Die Kombination von bio-psycho-sozialen Risikofaktoren wie Temperament, Umwelt, Genetik und Physiologie kann zur Entwicklung dieser Störungen beitragen, ebenso wie das Vorhandensein von Eltern mit Problemen und/oder Störungen (z. B. Drogenmissbrauch und antisoziales Verhalten oder diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, psychische Störungen, Schizophrenie oder antisoziale Persönlichkeitsstörungen).
Verhaltensauffälligkeiten können jedoch auch bei Kindern aus gesunden und sozial kompetenten Familien auftreten (Elia, 2019).
5. Depressive Störungen bezeichnen eine große Gruppe verschiedener psychischer Störungen, die meist durch eine traurige und leere oder reizbare Stimmung gekennzeichnet sind, begleitet von somatischen und kognitiven Veränderungen, die die Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Weitere Anzeichen für eine Depression sind Interessenverlust, Antriebs- und Freudlosigkeit über einen längeren Zeitraum. Dies geht in der Regel mit einer veränderten Wahrnehmung und körperlichen Veränderungen einher. Ein weiteres Anzeichen ist, wenn sich negative Reaktionen (z. B. Trauer) auf belastende Lebenssituationen verselbstständigen und unverhältnismäßig lange andauern. Oft sind belastende äußere Ereignisse (z. B. Mobbing, Unterdrückung, Verlust einer Person) der Auslöser. Außerdem können Depressionen mit Schlaflosigkeit und mangelndem sexuellen Verlangen einhergehen und zu Selbstmordgedanken und Selbstmord führen. Die bekannteste Form der Depression ist die Major Depression, bei der eine oder mehrere depressive Episoden auftreten, die großes Leid verursachen. Ist die Depression chronisch und weniger schwer, handelt es sich um eine dysthymische Störung.
Depressionen können als leicht, mittelschwer oder schwer eingestuft werden. Die psychomotorische Aktivität kann reduziert (gehemmte Depression) oder erhöht sein (agitierte Depression).
Eine manisch-depressive Störung (bipolare und verwandte Störungen) liegt vor, wenn sich Phasen von Manie und Depression abwechseln (Altenthan et al., 2008).
- Depression = gedrückte Stimmung,
- Manie = gehobene Stimmung, Überaktivität, Rededrang, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten.
6. Angststörungen gehören zu den häufigsten neurotischen Störungen und sind die häufigste Form von psychischen Störungen. Unter “Neurosen” versteht man bestimmte, im Laufe des Lebens erworbene (nicht organisch bedingte) Erlebens- und Verhaltensmuster, die nicht mit einem Realitätsverlust einhergehen. In den meisten Fällen dienen sie den Betroffenen dazu, Ängste zu reduzieren oder zu beseitigen. Angststörungen können als generalisierte Ängste, Panikstörungen oder phobische Ängste auftreten.
Ängste erfüllen für den Menschen wichtige Funktionen. Tritt sie jedoch grundlos oder übermäßig auf und beeinträchtigt die Lebensweise der Betroffenen, handelt es sich um eine Angst- oder Panikstörung. Übermäßige Ängste, Spannungen und Sorgen sowie häufiges Grübeln werden als generalisierte Angststörung bezeichnet. Die Ängste richten sich nicht auf bestimmte Situationen. Die Ängste können schwanken und veränderlich sein. Tritt intensive Angst oder ein “Gefühl der drohenden Vernichtung” plötzlich und ohne erkennbaren Grund auf, handelt es sich um eine Panikstörung. Solche Panikattacken werden von Atemnot, Schweißausbrüchen, Zittern, Brustschmerzen, Schwindel oder einem Gefühl der Unwirklichkeit begleitet. Bei Phobien (phobischen Ängsten) richtet sich die Angst auf bestimmte Situationen und Objekte, z. B. bei der Spinnenphobie (Altenthan et al., 2008).
6. Trauma- und stressbedingte Störungen
Nach ICD-10 ist ein Trauma definiert als ein “kurz- oder langfristiges Ereignis oder Vorkommnis von außerordentlicher Bedrohung katastrophalen Ausmaßes, das bei fast jedem Menschen tiefes Leid verursachen würde”.
Eine Klassifizierung von Traumata kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen: Eine Diagnose wird durch Symptome definiert, hat aber in verschiedenen Klassifikationssystemen unterschiedliche Kriterien (Pausch et al., 2018).
Traumatische Erfahrungen sind Ereignisse, die als extrem bedrohliche oder schreckliche Situationen erlebt werden, die das Leben oder die Sicherheit von sich selbst oder anderen bedrohen (Zum Beispiel: Naturkatastrophen, schwere Unfälle, Kriege, lebensbedrohliche Krankheiten, körperliche oder sexuelle Gewalt). Sie können auch als Folge einer oder mehrerer traumatischer Situationen auftreten, entweder wenn eine Person selbst betroffen ist oder wenn eine Person beispielsweise Zeuge eines schrecklichen Ereignisses wird, das anderen widerfährt (z. B. Zeuge eines schweren Verkehrsunfalls).
Sie können unter anderen psychischen Störungen wie Angststörungen, Depressionen, Suizidalität, Suchtverhalten und Persönlichkeitsstörungen sowie unter körperlichen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Problemen leiden.
Sie leiden häufig unter erhöhter Reizbarkeit, Minderwertigkeitsgefühlen, Problemen im Umgang mit Gefühlen oder in der Beziehungspflege (Köhnen et al. 2022; www.psychenet.de).
Typische Merkmale dieser Art von Störungen:
- Wiedererleben: Alpträume, körperliche Reaktion von Spannung und Schmerz: durch Reize, die an die jeweilige Situation erinnern.
- Vermeiden: Vermeidung von Gedanken und Gefühlen, Vermeidung von Situationen, Personen, Aktivitäten (z. B. Unfall mit dem Auto – Person kann nicht mehr Auto fahren oder sich im Auto aufhalten)
- Negative Veränderungen der Kognitionen und der Stimmung im Zusammenhang mit dem traumatischen Ereignis
- Gefühl der ständigen Bedrohung (ständige erhöhte Wachsamkeit)
- Vorhandensein von dissoziativen Reaktionen
7. Substanzbedingte und süchtig machende Störungen
Dies bezieht sich auf eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzkonsum entwickeln. Substanzbezogene Störungen und Suchterkrankungen sind durch verschiedene Syndrome gekennzeichnet, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Allen gemeinsam ist der Konsum einer oder mehrerer psychotroper (=auf den Verstand wirkender) Substanzen (mit oder ohne ärztliche Verschreibung). Diese Syndrome können sein:
- Akute Vergiftung (z. B. Intoxikation).
- Schädlicher Gebrauch (z.B.: Hepatitis)
- Abhängigkeitssyndrom (z. B. starkes Verlangen, die Substanz zu nehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren)
- Entzugssyndrom (Delirium) (z. B. Krampfanfälle),
- Psychotisches Syndrom (z. B.: Wahnvorstellungen),
- Amnesisches Syndrom (Beeinträchtigung des Kurz- oder Langzeitgedächtnisses).
- Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung (z. B. nach halluzinogenen Zuständen).
(ICD-10, Kapitel 5, F00-F99)
8. Eine Persönlichkeitsstörung liegt vor, wenn problematische Persönlichkeitsmerkmale stabil und lang anhaltend sind und sich bis ins Jugend- oder frühe Erwachsenenalter zurückverfolgen lassen. Sie ist keine Folge einer anderen psychischen Störung, der Auswirkungen einer Substanz (z. B. Drogen, Medikamente, Gifte) oder eines anderen Zustands, wie z. B. einer Kopfverletzung, sondern entwickelt sich unabhängig.
Das DSM-5 definiert eine Persönlichkeitsstörung als “ein dauerhaftes Muster des inneren Erlebens und Verhaltens, das deutlich von den Erwartungen der Kultur des Individuums abweicht, durchdringend und unflexibel ist, in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter beginnt, im Laufe der Zeit stabil ist und zu Leiden oder Beeinträchtigungen führt.” (DSM-5 S. 645)
Arten von Persönlichkeitsstörungen nach dem DSM-5:
- Paranoid: misstrauisch, überempfindlich gegenüber Kritik, immer bereit, verletzt oder angegriffen zu werden
- Schizoid: distanziert, emotionslos, desinteressiert, leidet aber nicht darunter
- Schizotypisch: akutes Unbehagen in engen Beziehungen, kognitive oder Wahrnehmungsverzerrungen und exzentrisches Verhalten.
- Histrionisch: stark abhängig von externer Aufmerksamkeit, ständig auf der Suche nach Anerkennung, kokett, manipulativ und emotional überreagierend
- Narzisstisch: wirkt anspruchsvoll, arrogant, anmaßend, nach außen hin selbstbewusst, innerlich sehr sensibel
- Borderline: instabil in zwischenmenschlichen Beziehungen, Selbstbild und Affekten, impulsiv, selbstzerstörerisch und mit extremen emotionalen Schwankungen
- Asozial: aggressives Verhalten, Missachtung sozialer Normen, unverantwortliches Verhalten, geringe Frustrationstoleranz
- Vermeidend: schüchtern, sozial gehemmt, stehen nicht gerne im Mittelpunkt, werden von anderen als hilfsbereit wahrgenommen, sensible Menschen, Minderwertigkeitsgefühle, vermeiden soziale Kontakte
- Abhängig: Sie haben das Gefühl, nicht in der Lage zu sein, ihr Leben selbständig zu gestalten, sondern von anderen abhängig zu sein.
- Zwanghaft: übermäßige Kontrolle, übermäßiger Ordnungssinn und Perfektionismus, erwartet dasselbe von anderen. Mangel an Leichtigkeit.
Beeinträchtigungen zu beschreiben, sie zu kategorisieren und ihre Auswirkungen auf das Leben sowohl der Betroffenen als auch der Gesellschaft im Allgemeinen zu beschreiben, ist nicht einfach, da die Grenzen fließend sind. Sie sind schwer zu objektivieren, von Werten geprägt und immer sozial konstruiert (Grübner, 2015).
Der Versuch der WHO, eine medizinische Klassifizierung vorzunehmen, ist in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10, Kapitel V) festgehalten. Demnach werden psychische Erkrankungen wie folgt definiert: Störungen des Erlebens, des Wohlbefindens und des Verhaltens.
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF 2005) der WHO geht noch einen Schritt weiter: Sie klassifiziert nicht nur Behinderungen, sondern auch deren Einfluss auf Aktivitäten, Teilhabe und den Einfluss der Umwelt auf die Beeinträchtigung. Dies ist ein Versuch eines umfassenderen Ansatzes für die Auswirkungen und die Identifizierung von Barrieren, die durch Beeinträchtigungen verursacht werden.
In dieser Hinsicht haben Beeinträchtigungen (und hier ist es nicht wichtig, was die Ursache der Beeinträchtigung ist) Auswirkungen auf das tägliche Leben, und Barrieren können unter anderem in den folgenden Bereichen entstehen (gemäß der ICF-Klassifikation):
- Lernen und Wissensanwendung (z. B.: Zugang zu Bildung, Bereitstellung einer angemessenen Ausbildung, Zugang zur Arbeit)
- Allgemeine Aufgaben und Anforderungen (z. B.: Reihenfolge der Aufgaben, Konzentration, Ausdauer…)
- Kommunikation (z. B.: Kommunikation mit der Umwelt, dem Arbeitgeber, den Kollegen, Verstehen und Anwenden von Sprache, Benötigen von technischer Ausrüstung)
- Mobilität (z. B. eigene Körperwahrnehmung, Transport von Gegenständen, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Orientierung)
- Selbstfürsorge (Körperpflege, Anziehen, Essen und Trinken).
- Häusliches Leben (Zugang zu lebensnotwendigen Gütern und Produkten für den Hausgebrauch…)
- Zwischenmenschliche Interaktionen und Beziehungen
- Bedeutende Lebensbereiche (z. B. Zugang zu Arbeit und Bildung – soziales Verständnis)
- Gemeinschaftliches, soziales und staatsbürgerliches Leben (Zugang zum Gemeinschaftsleben, Freizeitaktivitäten, politisches Leben, staatsbürgerliches Leben (z. B. die Möglichkeit, Termine wahrzunehmen)
Um geeignete Wege zur Erleichterung zu finden, bedarf es der Offenheit aller Beteiligten. In unserer Gesellschaft sind Beeinträchtigungen oft mit Scham und Angst vor Diskriminierung auf Seiten der Betroffenen verbunden. Die Gesellschaft erkennt Potenziale und Kompetenzen oft nicht an und verliert sich in Vorurteilen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten, Vorurteile und Ängste zu überwinden, da der natürliche Umgang mit dieser Personengruppe noch fehlt (Grübner, 2015).
Die Lösungsansätze für Barrieren basieren auf drei Ebenen:
- Technische/mechanische Lösungen (z. B.: visuelle Hilfsmittel, digitale Hilfsmittel, Werkzeuge usw.).
- Organisatorische Lösungen (z.B.: Ruheräume, Pausen, flexible Arbeitszeiten, Behördentermine, Prüfungen, begleitende Arbeitsassistenz usw.).
- Lösungen durch Kommunikation (reale Erfahrungen durch Praktika, Vermittlungsgespräche mit Arbeitgeber:innen, Kolleg:innen, personenzentrierte Arbeit, Elternarbeit, Gespräche in Schulen, aktives Zuhören).
Anwendung von technischen/mechanischen Lösungen (z. B.: visuelle Hilfsmittel, digitale Hilfsmittel, Werkzeuge usw.): Hilfreich bei:
- Lern- und Wissensanwendungen z.B.: Videos, Grafiken, Hörgeräte, passgenaue Hilfsmittel für Arbeitsbereiche, Verwendung von Farben, Musikanlagen.
- Allgemeine Aufgaben und Anforderungen, z.B.: Flussdiagramme
- Kommunikation, z. B. Emotionen, Farben zur Beschreibung der Stimmung – was ich nicht sagen kann, schreibe ich auf
- Bedeutende Lebensbereiche (Zugang zur Arbeit): z.B.: Bescheinigungen, bauliche Anpassungen, Sportgeräte,
- Gemeinschaftliches, soziales und staatsbürgerliches Leben – siehe Kommunikation, Terminkalender, Verwendung von Farben für wichtige und weniger wichtige Termine, Sporthilfen, bauliche Anpassungen.
Einsatz von organisatorischen Lösungen (z.B.: Ruheräume, Pausen, flexible Arbeitszeiten, Behördentermine, Prüfungen, begleitende Arbeitsassistenz usw.)
Hilfreich bei:
- Lernen und Wissensanwendung: z.B.: Begleitung bei Prüfungen, Entwicklung von Denkhilfen für Prüfungen
- Allgemeine Aufgaben und Anforderungen: z.B. Pausen, wenn die Konzentration nachlässt, kleine Gruppengrößen (z.B. ADHS)
- Mobilität: Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel trainieren, Zugang zum Internet, Lernmöglichkeiten für den Führerschein organisieren
- Selbstfürsorge z.B.: Zugang zu angemessenem Wohnraum schaffen, Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln schaffen, Zugang zu lebensnotwendigen Produkten (Hygieneartikel, Kleidung) organisieren, Sport treiben usw.
- Zwischenmenschliche Interaktionen und Beziehungen: z. B.: Kommunikationsregeln, Ruhezonen, Begegnungszonen, Pausenregeln, Festlegung von Verhaltensregeln (z. B.: achtsamer Umgang, respektvoller Umgang), ggf. kleine Gruppengrößen, stabiler sozialer Kontakt, Unterstützung bei der Aufnahme von Aktivitäten, Einfühlungsvermögen zeigen, gemeinsame Aktivitäten durchführen.
- Wichtige Lebensbereiche (Zugang zur Arbeit): z. B. Arbeitsbegleitung, Arbeitsvermittlung, Praktika, flexible Arbeitszeiten, separate Pausenregelungen, Zugang zu angemessenen Mahlzeiten usw.
- Soziales und gesellschaftliches Leben in der Gemeinschaft: z. B.: flexible Terminplanung bei Behörden, Begleitung bei Behördengängen, Begleitung zu Vereinen usw.
Anwendungsbereiche der Kommunikation (reale Erfahrungen durch Praktika, Praktikumsgespräche mit Arbeitgeber:innen, Kolleg:innen, personenzentrierte Arbeit, Elternarbeit, Gespräche in Schulen). Hilfreich bei:
Kommunikation ist prinzipiell in allen Lebensbereichen wichtig. Sie ist besonders effektiv, wenn alle relevanten Personen in die Diskussionen einbezogen werden oder wenn die Kommunikation auf denselben Grundprinzipien beruht. Durch z.B.: “Personenzentriertes Arbeiten” können die Personen, mit denen eine funktionierende Kommunikation wichtig ist, sichtbar gemacht werden.
Die Art und Weise der Kommunikation ist entscheidend. Wie bereits im Kapitel über Ethik und Haltung dargestellt, basiert gute Kommunikation auf dem Prinzip der “gleichen Augenhöhe” und der Selbstbestimmung. Selbstbestimmung ist Selbstverantwortung.
Verschiedene Kommunikationsmodelle analysieren die Prozesse in der Kommunikation (z.B.: Sender-Empfänger-Modell, Transaktionsanalyse, Watzlawicks 5 Axiome, etc.) und machen Prozesse sichtbar.
Beispiele, die eine Grundlage für eine gute Kommunikation bilden können:
- Einsatz von Visualisierungen (siehe technische Hilfsmittel)
- Kommunikation speziell für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen:
- Kommunizieren Sie sachlich, WAS zu tun ist, WIE die Aufgabe zu erledigen ist, WO die Aufgabe zu erledigen ist, WANN sie zu erledigen ist und WER oder mit WEM. Das schafft Klarheit und hilft Teilnehmer:innen mit ASS, die einzelnen “Puzzleteile” zu einem Ganzen zusammenzufügen.
- Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen haben Schwierigkeiten, zwischen den Zeilen zu lesen oder Metaphern zu verstehen, so dass eine klare und unmissverständliche Sprache eine Voraussetzung ist. Menschen mit dieser Art von Beeinträchtigung nehmen Worte oft wörtlich.
- Erfolge und Anstrengungen loben und nur auf eine einzige Sache oder Handlung reagieren (nicht auf mehrere gleichzeitig)
- Kontinuierlich konstruktives kurzes Feedback geben
- Verbale und nonverbale Botschaften sollten kohärent und nicht widersprüchlich sein.
- Es könnte notwendig sein, einen ausreichenden körperlichen Abstand zu halten. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen reagieren zum Beispiel oft überempfindlich auf sensorische Reize und können bei Berührung in Panik geraten.
- Eine gute Kommunikation beginnt mit aktivem Zuhören
- Einfühlungsvermögen zeigen
Verwendung von leichter Sprache:
- In kurzen Sätzen sprechen, jeder Satz enthält nur eine Aussage, vermeiden Sie den Konjunktiv (mögliche Form), der Genitiv wird ersetzt, z. B. “das Haus des Lehrers” wird zu “das Haus des/von dem Lehrer”. Vermeiden Sie genaue Mengenangaben und ersetzen Sie sie durch “viel” oder “wenig”. Einfache Sprache ist nicht gleichbedeutend mit Kindersprache.
- Rechtschreibregeln: Bindestriche werden zur Verdeutlichung von Wortkombinationen verwendet. Die Idee dahinter ist, dass Wörter umso schwieriger auf den ersten Blick zu erfassen sind, je länger sie sind. Je länger das Wort ist, desto größer ist die Hürde. Beispiel: “Marktführer”; die Leichte-Sprache-Regeln schlagen vor, diese Regel zu verallgemeinern und beim Verfassen von Texten in Leichter Sprache den so genannten Mediapunkt einzubeziehen. Dieser sieht wie folgt aus: “Marktführer” “Schlaganfall” (Maaß, 2014).
Verwendung von leichter Sprache:
- Regeln zum Textinhalt: Abstrakte Begriffe sollten vermieden werden – falls dennoch notwendig, sollten sie durch anschauliche Beispiele oder Vergleiche unterstützt werden. Wenn Fremd-/Fachwörter unvermeidbar sind, werden sie erklärt. Fragen im Text sollten vermieden werden – manche Menschen fühlen sich belehrt und meinen, antworten zu müssen. Verweise (auf andere Texte oder Textpassagen) sollten ebenfalls vermieden werden.
- Gestaltung und Einsatz von Medien: Große Schrift verwenden (ab Schriftgröße 14),
- Genügend Platz zwischen den Zeilen lassen
- Jeden neuen Satz in eine neue Zeile schreiben – wenn möglich: einen Satz zusammen lassen.
- Ein Satz sollte nicht in eine neue Zeile übergehen.
- Verwenden Sie immer einfache Schriftarten.
- Kursivschrift wird nicht verwendet und generell gilt: Bilder helfen, einen Text besser zu verstehen (Netzwerk Leichte Sprache, 2021).
5. SOZIALBAUERNHOF: INDIVIDUELLES THERAPEUTISCHES REHABILITATIONSPROJEKT (ITRP)
Das individuelle therapeutische Rehabilitationsprojekt stellt den Menschen in den Mittelpunkt, in einer bio-psycho-sozialen Perspektive, die sich um die Probleme kümmert, aber auch und vor allem mit einem besonderen Augenmerk auf sein Entwicklungspotenzial.
Das ITRP wird von einem multidisziplinären Team ausgearbeitet und geht von den an der Programmgestaltung Beteiligten aus, einschließlich der Triade aus Manager:in, Tutor:in und Pädagog:in, den sozialen Gesundheitsdiensten und der Familie.
Es basiert auf gemeinsamen Modalitäten der verschiedenen beteiligten Akteure (Nutzer:innen, Fachleute, Familie, Freunde und Freiwillige) und berücksichtigt das gesamte Lebenssystem des Teilnehmenden und sein Umfeld.
Das ITRP ermöglicht es, sich auf die Person, ihre Bedürfnisse und ihr Potenzial zu konzentrieren, mit dem Ziel, Fähigkeiten und Kompetenzen zu erhalten und/oder zu stärken, wobei Probleme und potenzielle Autonomie für jeden untersuchten Bereich berücksichtigt werden.
Das ITRP hilft den Betreiber:innen, ihre Arbeit sichtbar zu machen und das Design an den laufenden Prozess anzupassen.
Das ITRP erleichtert die Teilnahme des Kunden (Teilnehmer:in, Dienst und Familie) am Projekt.
Das ITRP verleiht der sozialpädagogischen Arbeit einen wissenschaftlichen Status und schafft die Grundlage für die weitere Anpassung und Verbesserung des Modells.
Der ITRP hilft dem/der Praktikant:in, während des Praktikums klare und realisierbare Ziele zu verfolgen.
Das ITRP macht Maßnahmen und Interventionen gerechtfertigt und transparent und ermöglicht eine komplexe, partizipative und multidisziplinäre Analyse.
Der Bedarf muss durch die Analyse von drei Hauptbereichen ermittelt werden:
- Bereich der Gesundheitsbedürfnisse, ermittelt durch klinische Diagnosen und bereits durchgeführte therapeutische und rehabilitative Maßnahmen. Die Bedürfnisse und Fähigkeiten, die mit diesem Bereich zusammenhängen, sind die der Selbstversorgung der körperlichen Gesundheit, der Wohnräume, der häuslichen Aktivitäten, der Fähigkeit, sich zu bewegen, Verkehrsmittel zu benutzen und mit Geld umzugehen.
- Bereich der psychologischen Bedürfnisse, die durch psychologische oder psychiatrische Diagnosen sowie durch bereits durchgeführte therapeutische und rehabilitative Maßnahmen ermittelt werden. Zu den Bedürfnissen und Fähigkeiten in diesem Bereich gehören Problemverhalten, Umgang mit zwischenmenschlicher Kommunikation, Emotionalität, Aggressionskontrolle, kognitive Fähigkeiten und Lernfähigkeit, sprachliche Fähigkeiten, Bewusstsein für die eigenen Probleme und Bedürfnisse sowie die Fähigkeit, sich an das Betreuungsprojekt zu halten.
- Bereich der sozialen Bedürfnisse und Beziehungsbedürfnisse, die durch soziale Beziehungen, Arbeitstätigkeiten, Studium, Lernverhalten, kulturelle Bezüge, Kultur und ethnische Herkunft, familiäre Werte bestimmt werden. Zu den Bedürfnissen und Fähigkeiten in diesem Bereich gehören das soziale Bezugsnetz, die Qualität der familiären Beziehungen, die Fähigkeit, Freundschaften zu pflegen, emotionale und sexuelle Beziehungen, das Verhalten in sozialen Kontexten, persönliche Interessen und Talente. In jedem Bereich müssen die Bedürfnisse, Probleme und die Autonomie angegeben werden.
Es ist notwendig, in Zusammenarbeit mit dem multidisziplinären Team alle Informationen zu sammeln, die für die Gestaltung und Planung des ITRP erforderlich sind.
Die Planung wird die folgenden operativen Schritte umfassen:
- Bedarfsanalyse
- Identifizierung von Stärken und Schwierigkeiten
- Definition der allgemeinen Ziele und der spezifischen Ziele
- Aufgabenzuweisung im multidisziplinären Team
- Planung der Intervention
- Gemeinsame Zielsetzung und operatives Projekt
- Definition des Vertrags mit den Teilnehmer:innen, der mit den sozialen Gesundheitsdiensten, der Arbeitsverwaltung und der Familie zu tun hat.
- Wahl der Kriterien und Methoden der Überwachung
- Definition der Kriterien für die laufende Bewertung
- Definition der Bewertungskriterien zum Abschluss
Einige Anforderungen sind relevant für die Realisierung eines ITRP, mit direkter Unterstützung durch die Berichte der Sozialbauernhof-Pädagog:innen.
- Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in ist Teil eines multiprofessionellen Teams und stellt die Verbindung zwischen den Sozial-/Gesundheits- und Beschäftigungsdiensten und dem sozialen Bauernhof her.
- Die Unterlagen über die persönliche und medizinische Vorgeschichte des Teilnehmenden und die erhaltenen Behandlungen werden vor dem Praktikum ausgetauscht.
- Die Rolle des Teilnehmenden vor der Unterbringung in einem Sozialbauernhof wird aktiv sein und alle seine Bedürfnisse und Erwartungen werden in einem Portfolio von Nachweisen gesammelt, das später auch die Tätigkeitsberichte, einschließlich Bilder und Videos, enthalten wird.
- Es werden Bedürfnisse und Probleme im gesundheitlichen, psychologischen und sozialen Bereich beschrieben.
- Die wöchentlichen Berichte und der allgemeine Einsatzplan, in dem die Referenzakteure für die verschiedenen Aspekte des ITRP angegeben sind, liefern dem multiprofessionellen Team auch analytische Indikatoren.
- Der Zeitpunkt der Bewertung der Zwischen- und Endergebnisse wird festgelegt.
Die Berichte der Sozialbauernhof-Pädagog:innen sind für die Bewertung der Wirksamkeit und Effizienz von grundlegender Bedeutung. Die Bewertung der Effektivität betrifft das Verhältnis zwischen erwarteten und erreichten Ergebnissen.
Die Bewertung der Wirksamkeit ist positiv, wenn die erwarteten Ergebnisse im Einklang mit dem ITRP erreicht und über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden.
Der/die Pädagog:in wird den Zufriedenheitsgrad des Teilnehmenden und seiner Familienangehörigen als wichtigen Überwachungs- und Abschlussindikator im Rahmen des regelmäßigen Berichts angeben. Wenn die allgemeinen oder spezifischen Ziele nicht erreicht wurden, ist es notwendig, eine Analyse der Ursachen durchzuführen und das Projekt neu zu planen.
Die Ursachen könnten sein:
- unvollständige Informationen;
- unzureichende und/oder nicht gemeldete Bewertung des Bedarfs in den verschiedenen Bereichen;
- unzureichende Berücksichtigung der Präferenzen und Motivationen der Nutzer:innen;
- Nichtdurchführung der geplanten Maßnahmen (z. B. Personalmangel und Zeitmangel);
- zu hohe Erwartungen;
- mangelnde Koordination innerhalb des multidisziplinären Teams.
Eine besondere Rolle von Sozialbauernhof-Pädagog:innen besteht in der Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten für die betreuten Personen. Die Bilanz der während der Ausbildung und des Praktikums erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist daher nicht nur für die Bewertung der erzielten Rehabilitationsergebnisse, sondern auch für eine mögliche weitere Beschäftigung von großer Bedeutung.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagogog:in ist dafür zuständig, beim Arbeitsamt zu überprüfen, ob es freie Arbeitsplätze für besondere Kategorien gibt, sowie direkte Vermittlungsmöglichkeiten in landwirtschaftlichen Betrieben für Weiterbildung oder Arbeit, insbesondere in sozialen Genossenschaften.
Es wird ein Lebenslauf erstellt und aktualisiert, in dem alle jüngsten Erfahrungen und erworbenen Fähigkeiten aufgeführt sind, um ihn an Arbeitgeber:innen, Arbeitsämter, Sozialbauernhöfe, landwirtschaftliche Genossenschaften und Arbeitsvermittlungsunternehmen zu richten.
In einem Zusatz zum Lebenslauf wird die Anpassung eines geschützten Arbeitsbereichs an die besonderen Bedürfnisse der Person beschrieben, die am Arbeitsplatz eingesetzt werden soll.
Ein Portfolio-of-Evidence (PoE), das auch Bilder und Filme von den durchgeführten Aktivitäten auf den sozialen Bauernhöfen enthält, kann sehr nützlich sein.
Die Planung der individuellen Unterbringung auf der Grundlage der ITRP-Methoden hängt von den Aktivitäten ab, die der/die Sozialbauernhof-Manager:in dem Sozial- und Gesundheitsdienst vorschlägt.
Es wird als sehr wichtig erachtet, dass der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in in der Vorbereitungsphase des Praktikums als psychosoziale/r Vermittler:in an der individuellen Vermittlung und Betreuung (engl. „Individual Placement and Support“, IPS) teilnimmt.
IPS ist als evidenzbasiertes Verfahren anerkannt. In 17 randomisierten, kontrollierten Studien wurde seine Wirksamkeit im Vergleich zu anderen beruflichen Rehabilitationsansätzen nachgewiesen.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich nach den in den USA registrierten wissenschaftlichen Erkenntnissen ein zunehmendes internationales Interesse an der IPS als wachsendem Forschungsgebiet entwickelt.
Die an sechs europäischen Standorten (Vereinigtes Königreich, Deutschland, Niederlande, Italien, Bulgarien und Schweiz) durchgeführten IPS-Forschungen haben gezeigt, dass die guten Ergebnisse der amerikanischen Studien auch in der Europäischen Union erzielt werden können.
Beschäftigung, Anzahl der Arbeitstage und -stunden sowie Einkommen waren bei IPS deutlich höher als bei anderen beruflichen Rehabilitationskonzepten.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in spielt eine wichtige Rolle bei der Begleitung des Prozesses der beruflichen Eingliederung und Rehabilitation und der Aktualisierung der erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten gemäß dem Bewertungsschema und den von den Sozial-/Gesundheitsdiensten erstellten und aktualisierten Bögen.
Die wichtigsten Bewertungsbereiche, die von den Bewertungsinstrumenten abgedeckt werden, sind:
- die Arbeitseinstellung, die sich insbesondere auf die Fähigkeit konzentriert, zuvor erlernte Aufgaben ohne oder mit wenig Hilfe auszuführen, die den beruflichen Fähigkeiten entsprechen;
- Arbeitsverhalten mit Verständnis für die Hauptaufgabe und die damit verbundenen zu erreichenden Ergebnisse, die den beruflichen Verhaltensweisen entsprechen;
- selbständiges Arbeiten, einschließlich aller vorbereitenden Maßnahmen (persönliche Reinigung, Anziehen, Einsicht in den täglichen Arbeitsplan usw.), entsprechend den funktionellen Fähigkeiten;
- Arbeitsunterbrechungen und Freizeitverhalten während des Arbeitstages, die den sozialen oder Freizeitkompetenzen entsprechen.
- funktionale Kommunikation, insbesondere auf der Grundlage spontaner Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen am Arbeitsplatz, die den Kommunikationsfähigkeiten entsprechen;
- zwischenmenschliche Verhaltensweisen zur Bewertung der Interaktionsfähigkeit mit vertrauten und unbekannten Personen im privaten und beruflichen Umfeld.
Die Arbeitsämter sind in der Regel dafür zuständig, nach freien Arbeitsplätzen zu suchen und diese mit den Fähigkeiten der Arbeitssuchenden abzugleichen, aber es fehlt eine Spezialisierung auf die Beschäftigung von Menschen mit geistigen Behinderungen oder sozialen Problemen.
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in kann die Arbeitsämter mit zusätzlichen Informationen und Erfahrungen versorgen, um eine Arbeitsvermittlung zu ermöglichen.
Ein weiteres Handlungsfeld, das für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sehr hilfreich sein kann, ist das Matching mit Unternehmen, die für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert sind. Es gibt erfolgreiche Beispiele für diese Art der Arbeitsvermittlung, wie z. B. Specialisterne (http://specialisterne.com/) mit Sitz in Dänemark und Büros auf allen Kontinenten, die auf die Beschäftigung von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen ausgerichtet sind.
Es gibt auch einige erfolgreiche Fälle von Ausbildung und Selbständigkeit, die direkt von Familienverbänden verwaltet werden, wie z. B. ANGSA (www.angsa.it), Parents of Autistic Subjects National Association in Italien mit Organisationen auf regionaler Ebene, die sich auf Betreuungsbetriebe konzentrieren (siehe Fallstudie La Semente www.lasemente.it).
Öffentliche Einrichtungen, d. h. Gemeinden, die für die soziale Eingliederung auf lokaler Ebene zuständig sind, sind auch Förder:innen der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Die am häufigsten verwendete Form für diese Art von öffentlichen Unternehmen sind von den Gemeinden unterstützte Sozialgenossenschaften (siehe Fallstudie Centro Especial de Empleo, Jardines y Naturaleza www.aytojaen.es)
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in ist eine zentrale Figur im Individuellen Therapeutischen Rehabilitationsprojekt (ITRP) als Bindeglied zwischen dem Kontext der beruflichen und sozialen Eingliederung und der kontinuierlichen Betreuung, insbesondere zwischen dem/der Manager:in und dem/der Tutor:in am Hof, und den sozialen Gesundheitsdiensten.
Ein individueller therapeutisch-rehabilitativer Ansatz ermöglicht das Wohlbefinden und die soziale Integration vieler Arten von Leistungsempfänger:innen (mit psychischen Erkrankungen, Autismus, körperlichen und kognitiven Behinderungen und dem Risiko der sozialen Ausgrenzung) durch die Analyse der individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten.
Das Individuelle Therapeutische Rehabilitationsprojekt (ITRP) ist ein vom multiprofessionellen Team entwickeltes Instrument, das als Leitfaden und Kompass für die Projekte dient. Es muss so strukturiert sein, dass die persönliche und klinische Vorgeschichte, die Analyse der Probleme/Bedürfnisse und Fähigkeiten, die Ziele und die Bewertung der Ergebnisse so klar und deutlich wie möglich sind.
Besonderes Interesse gilt der individuellen Vermittlung und Unterstützung (engl. „Individual Placement and Support“, IPS), einem manuellen Ansatz, der sich in zahlreichen Studien in den USA und in Europa als wirksam erwiesen hat.
6. SOZIALE LANDWIRTSCHAFTLICHE PRAKTIKEN IM FELD
Der/die Sozialbauernhof-Pädagog:in begleitet die Teilnehmer:innen während der ersten Tage am Arbeitsplatz. Danach übernimmt der/die Tutor:in diese Aufgabe. Eine gute Übergabe erleichtert die weitere Arbeit für den Teilnehmenden und den/der Tutor:in. Dies kann in mehreren Phasen geschehen:
- Begleitung des Teilnehmenden
- Übergabe an den/die Tutor:in und Beobachtung der Beziehung zwischen Teilnehmenden und Tutor:in („Shadowing“)
- Feedbackrunden
Es ist sinnvoll, wenn die Übergabe sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgt. Die folgenden Informationen können für den/die Tutor:in hilfreich sein:
- Welche Besonderheiten im Kontakt mit dem Teilnehmenden sind zu beachten?
- Welche Talente bringt der Teilnehmende mit?
- Welche Hilfsmittel sind nützlich?
Eine offene und ehrliche Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist bei der Übergabe wichtig (siehe Soziale Kompetenzen).
Jede/r Teilnehmende hat individuelle Anforderungen an den Arbeitsplatz. Je nach Bedarf passt der Ausbilder die Zeit und die Methode an die jeweiligen Anforderungen an. Dies kann von einem Tag bis zu einer Woche oder länger dauern. Ziel ist es, den Teilnehmer:innen Sicherheit und Struktur zu bieten.
Bei der Einführung am Arbeitsplatz ist es wichtig, dass der/die Pädagog:in herausfindet, ob und welche Hilfsmittel (z.B. visuelle, auditive, mechanische etc.) sinnvoll sind. Er/sie erkundet, wie die Stärken und Begabungen der Teilnehmenden optimal genutzt werden können: z.B. welche Arbeiten sehr gut erledigt werden können, wie die Ausdauerkurve aussieht, wie und ob die Anforderungen der Arbeit und die körperliche Konstitution des/der Teilnehmenden korrelieren, wie die sozialen und persönlichen Kompetenzen des/der Teilnehmenden entwickelt werden. Dabei berücksichtigt er/sie das Entwicklungsziel der Teilnehmer:innen.
Bei der Einführung am Arbeitsplatz werden diese Komponenten beobachtet, dokumentiert und gemeinsam Hilfe erarbeitet (siehe Kapitel 6.8 – Unterstützte Beschäftigung).
Die Grafik zeigt, welche Eigenschaften und Erfahrungen einen Einfluss auf die Arbeit haben können:
Ein wesentlicher Bestandteil einer guten Einführung in landwirtschaftliche Tätigkeiten ist die Gestaltung des Arbeitsplatzes. Dies kann für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge bedeuten. Die Bedeutung eines guten Arbeitsplatzes besteht darin, Raum für Sicherheit und Motivation zu schaffen. Neben sozialen Parametern wie einem guten Arbeitsklima, ausreichenden Ressourcen und erfolgreicher Führung gibt es Faktoren, die der/die Pädagog:in direkt beeinflussen kann:
- Geeignete ergonomische Bedingungen
- Funktionierende Arbeitsmittel
- Leicht zugängliche Arbeitsmaterialien (keine langen Wege)
- Ordnung: Jeder Gegenstand hat seinen Platz
- Geräuschpegel
- Platz für persönliche Dinge
- Abläufe und Rituale
- Minimierte Gefahrenquellen
- Ausreichend Licht
Die Bedeutung dieser Faktoren ist bei jedem Menschen anders gewichtet und wird individuell ermittelt. Auch Farben, Geräusche und Gerüche können von jedem Menschen unterschiedlich wahrgenommen werden (z. B. als störend oder angenehm). Allerdings müssen auch die Toleranzschwellen angehoben werden (siehe Kapitel 3.2).
Wenn die Rahmenbedingungen für die Arbeit in der Landwirtschaft geklärt sind, kann die Begleitung der Teilnehmer:innen in die landwirtschaftliche Arbeit beginnen. Ansätze und Prinzipien aus dem Konzept der Unterstützten Beschäftigung (engl. „Supported Employment“) können für den/die Sozialbauernhof-Pädagog:in hilfreich sein. Grundprinzip der Unterstützten Beschäftigung: “Erst platzieren – dann qualifizieren”, d.h. die Teilnehmer:innen werden entsprechend ihrer individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse in eine geeignete Arbeit vermittelt und direkt im Sinne von “learning by doing” oder “training on the job” geschult. Bei der Betreuung wird darauf geachtet, wo die tatsächlichen Stärken des Teilnehmenden liegen, wo er oder sie am besten eingesetzt werden kann und welche Ziele mit der Arbeit verfolgt werden. Nach diesen Vorgaben werden die Einsatzbereiche und der Grad der Förderung und Betreuung festgelegt.
(siehe https://www.euse.org/content/supported-employment-toolkit/EUSEToolkit-2010.pdf)
Die Dauer der Begleitung kann variieren. Je nach Bedarf und Diagnose kann sie von einigen Stunden bis zu einigen Tagen dauern. Auch die Intensität der Begleitung variiert von konstant bis selektiv. Wenn die Begleitung intensiver ist, kann man sie im Idealfall langsam ausklingen lassen.
Eine Möglichkeit, Teilnehmer:innen zu begleiten, ist das so genannte Shadowing:
Shadowing ist eine Form der teilnehmenden Beobachtung. Beim Shadowing begleitet ein/e Trainer:in die Teilnehmer:innen. Der/die Trainer:in bleibt dabei immer im Hintergrund oder agiert unauffällig. Ziel des Shadowing ist es, einen Teilnehmenden in seinem/ihren verhaltensrelevanten Umfeld zu erleben und ihm anschließend ein Feedback zu geben (Stangl, 2022).
Es ist wichtig, sich im Hintergrund zu halten und unauffällig zu agieren. Greift man zu oft und zu sehr in den Arbeitsprozess ein, kann dies zu einer Verunsicherung der Teilnehmer:innen führen und damit das Gegenteil bewirken.
Menschen mit Behinderungen sind nicht immer in der Lage, ihre Talente richtig darzustellen oder sie sind sich ihrer Talente gar nicht bewusst. In der Arbeit mit den Teilnehmer:innen geht es daher darum, arbeitsrelevante Interessen und Talente zu erkennen, sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln bzw. zu verstärken. Wenn der Arbeitsplatz den Interessen und Talenten des Teilnehmenden entspricht, kann eine positive Weiterentwicklung in Gang gesetzt werden.
Aus der Sicht der Teilnehmer:innen können folgende Punkte hilfreich sein:
- Akzeptieren von (Lern-)Feedback
- Mit anderen kommunizieren, um eigene Interessen und Talente zu erkennen und zu fördern (Peer Groups)
- Aufbau positiver Beziehungen zu Menschen (und/oder Tieren)
- Reflektieren von Problemen und Lösen von Konflikten: Die Teilnehmer:innen versuchen, Konflikte selbst zu lösen oder schlagen Lösungsmöglichkeiten vor (unter Anleitung/Hilfe der Sozialbauernhof-Pädagog:innen)
- Von der Arbeit im Team profitieren: verschiedene Rollen übernehmen, Fähigkeiten erproben und verbessern
- Kontrolliertes Verlassen der Komfortzone: z. B. neue Tätigkeitsbereiche, Berufe, Arbeit mit anderen Menschen ausprobieren
- Erstellen eines Aktionsplans, um den Überblick zu behalten und sich nicht zu überfordern: Listen Sie auf, welche Interessen und Talente mit welcher Methode gefördert werden sollen. Auf diese Weise werden die Prioritäten klarer gesetzt.
- Nicht aufgeben: Der/die Pädagog:in sollte für Rückschläge sensibilisiert sein und diese als Chance für die weitere Entwicklung verstehen und vermitteln können (Indeed-Redaktion, 2021).
Der/die Sozialpädagog:in muss sicherstellen, dass der Arbeitsplatz an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Teilnehmenden angepasst ist. Der Arbeitsplatz muss so gestaltet oder angepasst sein, dass die Person mit Beeinträchtigung selbstständig und ohne Hilfe arbeiten kann.
Selbstständiges Handeln fördern:
- Herausforderungen erkennen und begleiten: emotionale, soziale, kognitive und berufliche Herausforderungen sowie Herausforderungen im Alltag ausloten und Hilfestellung geben; die „goldene Mitte” finden: z. B. sollten Teilnehmer:innen lernen, wen sie um Unterstützung bitten und wann sie um Unterstützung bitten
- Raum geben, um eigene Erfahrungen zu machen: zur Entwicklung einer realistischen Selbsteinschätzung und um Selbstwirksamkeit zu erfahren (Ziegler, 2017)
- Selbstkontrollaufgaben: Das Bewusstsein, die eigene Arbeit zu überprüfen bzw. als falsch zu erkennen, d.h. Inhalte unabhängig von anderen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, fördert eigenständiges Handeln (Rakowitz, 2003)
- Verantwortung übertragen und Erfolgserlebnisse schaffen: z.B. ein kleines eigenes Projekt oder einen Aufgabenbereich übergeben, in dem die Person die volle Verantwortung und Entscheidungsbefugnis hat. Das Setzen eines Ziels oder eines bestimmten Rahmens kann helfen.
- Lob bzw. Mut machen, klare Absprachen treffen und Vertrauen entgegenbringen
- Anregen, eigenständig nach Lösungen in Konfliktsituationen zu suchen – auch das soziale Miteinander erfordert Selbstständigkeit (Looks, 2021).
Schließlich werden die (Rehabilitations-)Ziele mit den Möglichkeiten auf dem Betrieb verglichen und festgelegt. Durch die Begleitung des/der Teilnehmenden in den ersten Tagen können viele Kompetenzen und Fertigkeiten erkannt und gefördert werden. 80% der Kompetenzen werden informell erworben (Staudt & Kriegesmann, 1999). Es ist daher schwierig, das tatsächliche Potenzial einer Person auf der Grundlage eines Gesprächs oder einer Diagnose zu beurteilen. Durch die Entwicklung des Teilnehmenden können sich diese Ziele verändern und eine punktuelle Bewertung der Ziele mit anschließender Anpassung ist sinnvoll.
Erstellung eines Fähigkeitsprofils: Aus dem Umsetzungsleitfaden des Supported Employments kann für diese Phase das „Vocational Profiling“ ein nützliches Instrument für den/die Sozialbauernhof-Pädagog:in sein. Die Erstellung eines Fähigkeitsprofils hilft dabei, den Teilnehmenden umfassend kennenzulernen, Stärken und Ressourcen herauszufiltern, ein zielgerichtetes Therapieprogramm zu erarbeiten und den Arbeitsplatz entsprechend den individuellen Anforderungen des Teilnehmenden zu gestalten. Für das Ziel der beruflichen Eingliederung ermöglicht es eine strukturierte und zielorientierte Herangehensweise, die dabei auf Entwicklung eines individuellen Bewusstseins und auf ein Verständnis von den eigenen Möglichkeiten und Hindernissen am Arbeitsmarkt abzielt. Dabei ist wichtig, dass der Teilnehmende den Prozess steuert (Stichwort: Empowerment).
Weitere Informationen und Details zur Umsetzung findet man hier:
https://www.euse.org/content/supported-employment-toolkit/EUSE-Toolkit-2010.pdf
Autonomie: das Recht oder der Zustand der Selbstverwaltung/Selbstständigkeit.
Kommunikation: Austausch oder Übertragung von Informationen, die auf verschiedene Weise und mit verschiedenen Mitteln erfolgen kann
Zuständigkeiten/Kompetenzen: Fähigkeit und Fertigkeit, Probleme in den oben genannten Bereichen zu lösen, sowie die Bereitschaft, dies zu tun
Vielfalt: die Praxis oder Eigenschaft, Menschen mit unterschiedlichem sozialem und ethnischem Hintergrund, unterschiedlichem Geschlecht, unterschiedlicher sexueller Orientierung usw. einzubeziehen oder zu beteiligen.
Störungen: Eine Krankheit, die die normalen körperlichen oder geistigen Funktionen stört
Empathie: ist die Fähigkeit, die Gefühle eines anderen zu verstehen und zu teilen
Auf Augenhöhe: das Gespräch ernsthaft führen, den Partner ernst nehmen, respektieren, ihn so nehmen, wie er ist: gewichtig und gleich wichtig
Partizipation: Menschen werden in Entscheidungen einbezogen, die ihr Leben betreffen
Verantwortung: Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles so gut wie möglich läuft, dass das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und dass möglichst wenig Schaden entsteht
Sozialbauernhof-Pädagog:in: kann als Bindeglied zwischen Betriebsleiter, Betreuer und sozialen Gesundheitsdiensten definiert werden
Soft Skills: Fähigkeiten, um in Kommunikations- und Interaktionssituationen entsprechend den Bedürfnissen der beteiligten Parteien effektiv zu handeln
Selbstreflexion: Bezieht sich auf die Tätigkeit, über sich selbst nachzudenken. Dies bedeutet, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen zu analysieren und zu hinterfragen, um mehr über sich selbst zu erfahren.
Teamarbeit: das gemeinsame Handeln einer Gruppe, insbesondere wenn es effektiv und effizient ist.
Altenthan, S./Betscher-Ott, S./Gotthardt, W./Hobmair, H./Höhlein, R./Ott, W./Pöll, R./Schneider, K.-H. (2008): Psychologie. Troisdorf: Bildungsverlag EINS.
Elia, J. (2019): Verhaltensstörung. In: MSD Manual, Ausgabe für medizinische Fachkreise. https://www.msdmanuals.com/de/profi/p%C3%A4diatrie/psychiatrische-st%C3%B6rungen-im-kindes-und-jugendalter/verhaltensst%C3%B6rung#:~:text=Eine%20Verhaltensst%C3%B6rung%20ist%20ein%20wiederkehrendes,Die%20Diagnose%20wird%20klinisch%20gestellt (05.04.2022).
Esser, B. (2019): Die Mensch-Tier-Beziehung (im Gespräch Psychologin Andrea Beetz). https://focus-arztsuche.de/magazin/ratgeber/die-mensch-tierbeziehung-warum-wir-tierliebe-entwickeln#tocHeadline-4 (27.04.2022).
Etgen, T./Sander, D./Bickel, H./Förstl, H.(2011): Mild cognitive impairment and dementia: the importance of modifiable risk factors. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(44): 743–50. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0743. https://www.aerzteblatt.de/archiv/111707/Leichte-kognitive-Stoerung-und-Demenz (07.04.2022).
European Union for Supported Employment (EUSE) (Ed.): Europäischer Werkzeugkoffer für Unterstützte Beschäftigung. German version. Dachverband berufliche Integration Austria (dabei-austria) (Ed.) (2011): https://www.euse.org/content/supported-employment-toolkit/EUSE-Toolkit-2010-Austria.pdf
(27.04.2022).
Fachverlag Gesundheit und Medizin GmbH & Co. KG (2021): Was sind kognitive Störungen? https://www.psychisch-erkrankt.de/kognitive-stoerungen/ (11.04.2022).
Gold, A. (2014): Lernschwierigkeiten. Ursachen, Diagnostik und Intervention. Universität Göttingen, Zweite Fachtagung Inklusion. https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/43b8770f19d9fe94b11c73b98de92530.pdf/Gold%2013.6.pdf (07.06.2022).
Grübner, K. (2015): Barrieren für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen erkennen, überwinden und beseitigen in: Geiger & Lengsfeld: Inklusion- ein Menschenrecht- Was kann man tun, was hat sich getan; Verlag Barbara Budrich
ICF: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und GesundheitVersion 2005 https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icf/icfhtml2005/ (12.06.2022)
ICD: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme10. Revision Version 2019 https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-who/kode-suche/htmlamtl2019/ (15.06.2022).
Indeed Editorial Team (2021): Wie Sie Ihre Skills verbessern. https://de.indeed.com/karriere-guide/karriereplanung/skills-verbessern (31.05.2022).
Ivemeyer, S. (2010): Einfluss der Mensch-Tier-Beziehung auf die Eutergesundheit von Milchkühen. Kassel/Witzenhausen: Dissertation. https://d-nb.info/1010609459/34 (09.05.2022).
Köhnen M., Magaard J., Liebherz S., Martin Härter M., Dirmaier J. (2022): Posttraumatische Belastungsstörungen https://www.psychenet.de/de/psychischegesundheit/informationen/posttraumatische-belastungsstoerung.html (08.06.2022)
Looks, K. (2021): Selbstständigkeit von Kindern fördern. https://www.scoyo.de/magazin/familie/erziehung-entwicklung/selbststaendigkeit-von-kindernfoerdern/ (09.05.2022).
Maaß, C. (2014): 8. Mediopunkt statt Bindestrich. https://www.unihildesheim.de/media/fb3/uebersetzungswissenschaft/Leichte_Sprache_Seite/Publikationen/Antworten_zu_Leichter_Sprache__Forschungsstand/8._Mediopunkt.pdf (08.04.2022).
National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) – Eunice Kennedy Shriver National Institute of Child Health and Human Development (n. d.): Learning Disabilities. https://www.nichd.nih.gov/health/topics/factsheets/learningdisabilities (26.07.2022).
Netzwerk Leichte Sprache (2021): Die Regeln für Leichte Sprache. https://www.leichte-sprache.org/wp-content/uploads/2017/11/Regeln_Leichte_Sprache.pdf (08.04.2022).
Olbrich, E. (n. d.): Psychologie der Mensch-Tier Beziehung. https://docplayer.org/14924256-Psychologie-der-mensch-tier-beziehung.html (09.05.2022).
Pausch, Markus J., and Sven J. Matten. “Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)–Definition, Einteilung, Epidemiologie und Geschichte.” Trauma und Traumafolgestörung. Springer, Wiesbaden, 2018.3-12.
Rakowitz, G. (2003): Indikatoren für selbständiges Handeln in offenen Unterrichtsformen und ihre förderlichen und hemmenden Faktoren. https://www.imst.ac.at/imst-wiki/images/1/13/Kurzfassung_Indikatoren_Rakowitz.pdf (09.05.2022).
Schreiber, S. (Tiergestützte Entwicklungsbegleitung für Kinder und Jugendliche) (2021): Warum brauchen Kinder und Jugendliche Kontakt zu Tieren? https://www.xn--tiergesttztepdagogik-nzb63c.at/cms/ (10.05.2022).
Schwalb, H./Theunissen, G.(Hrsg.) (2013): Vorwort: Inklusion von Menschen mit Lernschwierigkeiten im Arbeitsleben. In: Schwalb, H./Theunissen, G. (Hrsg.): Unbehindert arbeiten, unbehindert leben. Inklusion von Menschen mit Lernschwierigkeiten im Arbeitsleben. Stuttgart: Kohlhammer Verlag, S. 7-8.
Schwarz C. (2018): Haltung in der Sozialpädagogik; Eine Untersuchung des Haltungsbegriffes und seiner Bedeutung im Kontext vollerErziehung in sozialpädagogischen Einrichtungen in Wien. Unv. Masterarbeit Fachhochschule FH Campus Wien.
Simhofer, D. (2014): Tiertherapie. https://www.minimed.at/medizinischethemen/psyche/tiertherapie/ (27.04.2022).
Stangl, W. (2022): Shadowing. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/13316/shadowing (15.05.2022).
Stangl, W. (2022): Verhaltensstörung . Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik https://lexikon.stangl.eu/5237/verhaltensstoerung (07.06.2022).
Staudt, E. & Kriegesmann, B. (1999). Weiterbildung: Ein Mythos zerbricht. Der Widerspruch zwischen überzogenen Erwartungen und Misserfolgen der Weiterbildung (Berichte aus der angewandten Innovationsforschung, Nr. 178). Bochum: iAi.
Wohlfarth, R./Olbrich E. (2014): Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Praxis tiergestützter Interventionen. https://vet-magazin. de/firmennews-deutschland/industrie-grosshandel/mars-petcaredeutschland/Leitfaden-Qualitaetskriterien-tiergestuetzte-Interventionen/Leitfaden-Qualitaetskriterien-tiergestuetzte-Interventionen/Leitfaden-Qualitaetskriterien-tiergestuetzte-Interventionen.pdf (27.04.2022).
Ziegler, M. (2017): Schritte in die Selbstständigkeit. Lernen fördern. Issue 3 / 17, p. 4-19. https://lernen-foerdern.de/wp-content/uploads/2019/12/LF-3-17-Schritte-Selbststaendigkeit.pdf (09.05.2022).